Billig, billiger, Asyl?

Immer mehr fachfremdes, kaum oder gar nicht geschultes Personal wird im Asylbereich eingesetzt – ein Trend, der Sorgen machen sollte

Wie der orf berichtet , werden ab 2014 umgeschulte Postbeamte auch im Asylverfahren eingesetzt, sie sollen, so das BM.I., „Schritt für Schritt an die Sachbearbeitertätigkeit herangeführt“ werden. Wie jetzt? Beamte, die „im gehobenen Verwaltungsdienst“ der seinerzeit verstaatlichten Post eingesetzt waren und dort nicht mehr gebraucht werden, sollen über menschenrechtlich hochsensible Fragen entscheiden, mit denen sie noch nie zu tun hatten – nach einer Umschulung von ein paar Monaten?

Ja, das sollen sie, und das ist keineswegs überraschend, denn nach diesem Muster geht Österreich schon lange mit Asylwerbern um: uniformierte Polizisten „befragen“ Asylwerber bei der Ersteinvernahme, Menschen ohne abgeschlossenes Jus-Studium „beraten“ sie im Verfahren, gescheiterte Gastwirte „versorgen“ sie in abgewrackten Pensionen, Angestellte eines privaten Sicherheitsdienstes „betreuen“ sie in der Schubhaft. Einschlägige, gar akademische Ausbildung? Fehlanzeige. Ausgerechnet im Fremden- und Asylrecht, der menschenrechtlich sensibelsten (und mittlerweile rechtlich komplexesten) Materie unserer gesamten Rechtsordnung kommt immer mehr fachfremdes, kaum oder gar nicht geschultes Personal zum Einsatz. Warum? Weil es Kosten spart.

Und vielleicht auch, weil es so „einfacher“ ist. Studierte JuristInnen sind nicht nur teuer, besonders, wenn sie verbeamtet werden. Sie sind auch – ab und zu – ein bisschen mühsam, weil sie nämlich in der Lage sind, ihre Vorgaben und Weisungen nicht nur nachzuvollziehen, sondern auch zu hinterfragen. Und im Ernstfall zu „remonstrieren“ (also eine schriftliche Weisung zu verlangen), wenn sie meinen, dass eine ihnen erteilte Vorgabe am Gesetz vorbei geht. Das wirkt in der Regel, kein Behördenleiter, der bei Trost ist, gibt schriftlich eine rechtswidrige Weisung. Bei „VolljuristInnen“, gar welchen „vom Fach“ denkt er nicht mal dran.

Rasch ein- und umgeschultes, nicht einschlägig ausgebildetes Personal, wie man es im Asylwesen immer öfter vorfindet, arbeitet zwar meist engagiert und mit viel gutem Willen – aber nach welchen Regeln? Angeleitet wird es dabei durch „Handbücher“ der Vorgesetzten, die das immer komplexere Rechtsgebiet auf möglichst simple Schemata heruterbricht, die der Reihe nach abgearbeitet werden. Das ist auch not-wendig: wer nicht Jus studiert und sich eine längere Weile mit dem Asylrecht auseinandergesetzt hat, kann heutzutage nicht mehr in der Lage sein, die dahinter stehenden rechtliche Zusammenhänge zu verstehen. Landes-, Bundes-, Verfassungs- und europäisches Recht ist neben- und miteinander anzuwenden, immer häufiger stellen sich Fragen nach der korrekten Auslegung, Fragen an denen nicht selten schon die RichterInnen am Asylgerichtshof (seit 01.01.2014: Bundesverwaltungsgericht) verzweifeln, und ich verstehe sie gut: vieles kann ich, trotz langer Erfahrung, auch nicht mehr sicher beantworten. Ehemaligen Postbediensteten fehlt – bei allem Respekt – mit einiger Wahrscheinlichkeit für die nächsten Jahre schon das Vokabular dazu, diese Fragen überhaupt zu stellen. Sollen sie das überhaupt?

Honi soit qui mal y pense, Absicht soll hier nicht unterstellt werden. Aber un-oder rasch umgeschultes Personal wäre auch eine gute – und notwendige – Voraussetzung dafür, Vorgaben zu machen, die eigentlich mit dem Gesetz nicht mehr in Deckung zu bringen sind – merkt ja eh keiner, wo das Handbuch zum Gesetz wird.

Gespart wird jedenfalls nicht nur an der Qualität von Verfahren, Betreuung, Unterbringung und Rechtssicherheit für jene, die sie am allernötigsten bräuchten. Die Bereitschaft, mit den Kosten auch Qualität einzusparen, schadet auch Österreich und seiner menschenrechtlichen Reputation: wer die Verpflichtungen, die sich aus dem Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention und zur Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben, auch nur halbwegs ernst nimmt, müsste eigentlich alles tun, um Fehlentscheidungen in Asylverfahren zu vermeiden. Denn das Asylrecht ist die Herzchirurgie der Jurisprudenz: gearbeitet wird mit den selben Instrumenten wie in vielen anderen Bereichen auch. Aber bei jedem noch so kleinem Fehler ist der Patient womöglich tot. Das hieße eigentlich, dass in einem solchen Bereich, egal was es kostet, nur die Besten der Besten eingesetzt werden (dürfen) – das lässt sich von der Personalpolitik des Innenministeriums aber beim besten Willen nicht behaupten.

Dass das österreichische Asylverfahren im europäischen Vergleich (immer noch) nicht das schlechteste ist, ist dabei kein Trost: Österreich ist die zweitreichste Nation der EU – es sollte und müsste zumindest europaweit das zweitbeste Asylverfahren haben. Davon sind wir freilich meilenweit entfernt, und der hier beschriebene Trend weist – wieder einmal – in die andere Richtung.

Im Innenministerium weiß man, dass „das geht“, weil Asylwerber keine wirksame Lobby haben. In anderen Bereichen ist Derartiges nicht einmal im Ansatz denkbar. Man stelle sich bloß die Reaktion der Öffentlichkeit vor, dürften umgeschulte Ex-Postler im OP assistieren, über Disziplinarbeschwerden gegen Polizisten mit entscheiden oder – horribile dictu – eine einzige Stunde an einer AHS supplieren….

Es bleibt zu hoffen, dass die (Um-)Schulungen von höchster Qualität, die Handbücher, die immer mehr das Gesetz ersetzen, menschenrechtskonform und die Weisungen und Vorgaben für die ehemaligen Postbediensteten zu 100 % gesetzmäßig sind – dass Asylbescheide in Zukunft nämlich ausnahmslos korrekt frankiert werden, wäre denn doch zu wenig.

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